Hinschauen, wenn´s weh tut
Das Kinderhaus in Westerham lässt sich sensibilisieren auf das Thema „Häusliche Gewalt“
In einer Zeit, in der es um Lockdowns und Ansteckungsgefahren geht, denkt erst einmal niemand daran, eine interne Informationsveranstaltung zu organisieren. Doch gerade jetzt gibt es ein Thema, das an Brisanz und Wichtigkeit stetig zunimmt: „Häusliche Gewalt“. Die Dunkelziffer ist groß, vor allem bei männlichen Opfern. Trotzdem sind die Misshandelten zum Großteil Frauen und Kinder. In Zeiten von Corona, Kontaktbeschränkungen und Ausgangssperren gibt es kaum die Möglichkeit, Hilfe zu suchen – eingesperrt mit dem Täter, ständig unter Beobachtung.
Zudem kommt die Hürde, dass die üblichen Anlaufstellen für die Opfer fast komplett wegfallen. Denn wo öffnen sich Frauen und Kinder mit ihrem schweren, heiklen Thema? Bei Freunden, im Verein, im Sportclub, in der Schule, im Kindergarten. Die meisten dieser wichtigen Orte sind ganz oder zeitweise geschlossen. Ausgerechnet hier, wo sich Kinder öffnen könnten und wo sich den Erwachsenen die Gelegenheit ergibt, zwischen den Zeilen zu lesen und da hinzusehen, wo es unangenehm ist, wo es weh tut. Und die Zahlen der Vorfälle explodieren. Umso wichtiger, sich dem Thema von allen möglichen Fronten anzunehmen: auf politischer Ebene hat sich Bayerns Justizminister Georg Eisenreich persönlich der Thematik angenommen. Auf öffentlicher Ebene schießt eine Vielzahl an Zeitungsartikeln und wissenschaftlicher Erhebungen aus dem Boden. Und dann gibt es eben noch die Personen, die an vorderster Front stehen.
Und genau da ließen sich die 30 Mitarbeiterinnen des KiWests von einem lokalen Profi sensibilisieren. Kathrin Hanses, ihrerseits Traumapädagogin und Präventionsschutzbeauftragte, zeigte den Mitarbeiterinnen, die täglich bis zu zehn Stunden die Kinder bei sich in der Gruppe betreuen, wie man erste Anzeichen erkennt, feinfühlig mit dem Kind und den Eltern in das knifflige Thema einsteigt und welche Schritte gegangen werden müssen. Denn Wegsehen geht gar nicht!
Der großzügig ausgestattete Sitzungssaal im Rathaus der Gemeinde Feldkirchen-Westerham, mit Plexiglas abgetrennten Plätzen und einem modernen Lüftungssystem macht es möglich. Die große Anzahl an Mitarbeiterinnen von einem der größten KiTas des Landkreises Rosenheim wurde in diesem Pilotprojekt auf vier Veranstaltungsabende aufgeteilt. Von Mitte Februar bis Anfang März konnten mittels eines sorgfältig durchdachten Planes, einer tollen Zusammenarbeit mit dem Elternbeirat und unter Auflagen sämtlicher Hygieneschutzbestimmungen alle Mitarbeiterinnen geschult werden.
Und das Konzept geht auf. Mittlerweile lassen sich alle gemeindlichen Kindertagesstätten in und um Feldkirchen-Westerham flächendeckend von Kathrin Hanses beschulen. Damit Wegsehen gar nicht mehr möglich ist!